- Spanischer Bürgerkrieg: Testfall für Europa und die Großmächte
- Spanischer Bürgerkrieg: Testfall für Europa und die GroßmächteDer außenpolitische Radius Deutschlands ging 1936 über Schritte zur Revision des Versailler Vertrags hinaus. Kurz nach Beginn der Militärrevolte General Francos in Spanien im Juli 1936, die sich zu einem dreijährigen Bürgerkrieg entwickelte, beschloss Hitler, Franco zu unterstützen. Es war Hitlers persönliche Entscheidung, die er in Bayreuth traf, wo er zu den Festspielen weilte und Francos Hilfe suchende Abgesandte empfing. Die Intervention im Spanischen Bürgerkrieg, die Deutschland an der Seite des ebenfalls intervenierenden Italien sah, erfolgte aus ideologischen, wirtschaftlichen und militärischen Gründen. Spanien diente als Experimentierfeld für die Luftwaffe, die auch zivile Ziele bombardierte und damit demonstrierte, wie der moderne Krieg aussah. Internationales Entsetzen erregte besonders die Bombardierung von Guernica. Der für den Ausgang des Bürgerkriegs entscheidende deutsch-italienische Einsatz entwickelte sich in diesem Umfang indes erst im Laufe der Auseinandersetzung. In welchem Ausmaß rüstungswirtschaftliche Gesichtspunkte bei Hitlers Entscheidung eine Rolle gespielt haben, ist nur zu vermuten. Auf jeden Fall war Spanien als Rohstofflieferant (Eisenerz, Schwefelkies) ein willkommener Partner. Was Hitler bewogen hat, kurz nach der Rheinlandbesetzung erneut ein außenpolitisches Abenteuer einzugehen, dürfte in der programmatischen Ausrichtung seiner Politik gegen den internationalen Kommunismus und die Sowjetunion begründet sein. Der Topos, Lebensraum im Osten gewinnen zu müssen, verband sich für Hitler 1936 mit der konkreter werdenden Perspektive, die er kurz vor der spanischen Entscheidung ebenfalls in Bayreuth äußerte: Russland müsse wieder in seine »ursprünglichen historischen Teile« zerlegt werden. Die Parteinahme zugunsten Francos gegen die Volksfrontregierung in Spanien, die womöglich mit dem eben gebildeten Volksfrontbündnis in Frankreich zusammengehen könnte, muss wohl vor allem unter ideologischen Gesichtspunkten gesehen werden. Die Rolle Deutschlands als Bollwerk gegen den Kommunismus konnte vielleicht auch Großbritannien übersehen lassen, dass Deutschland die Bahn konventioneller Revisionspolitik verließ und im Mittelmeerraum mit britischen Interessen kollidierte. Auf jeden Fall war die spanische Arena ein Testfall dafür, welchen Spielraum die westeuropäischen Großmächte Deutschland einzuräumen bereit waren.Reaktion der westeuropäischen GroßmächteGroßbritannien reagierte auf die Herausforderung in der ihm eigenen Weise. Es versuchte, den Konflikt lokalisiert zu halten und seine Ausweitung zu verhindern. Die alte Weltmacht dankte nicht von der Bühne der internationalen Politik ab, tat aber auch nichts zur Unterstützung der spanischen Republik und zur Niederschlagung des europäischen Faschismus. Die Scheinlösung bestand in der Bildung eines in London tagenden Nichtinterventionskomitees. Es wurde von den Großmächten beschickt, um offiziell darüber zu wachen, dass in Spanien nicht interveniert wurde, während gleichzeitig — schließlich auch seitens der Sowjetunion, die seit Oktober 1936 Kriegsmaterial für die Republik bereitstellte — eine Einmischung massiver Art stattfand. Es ging bei alldem nicht um die Unterbindung der Intervention, sondern um die Vermeidung eines Konflikts auf Großmachtebene. Der Spanische Bürgerkrieg beschäftigte jedoch nicht nur die Regierungen, sondern auch als Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Faschismus die internationale Gesellschaft insgesamt. Die spanische Republik erhielt in ihrem Kampf gegen Franco Unterstützung durch Freiwilligenverbände aus zahlreichen Ländern. In den Internationalen Brigaden kämpften rund 60000 Mann, darunter auch viele Deutsche, die als Gegner des Nationalsozialismus Hitler in Spanien bekämpften. Die Zusammensetzung der Brigaden reichte von Kommunisten stalinistischer Orientierung, die innerhalb des internationalen Kommunismus gegen »Abweichler« vorgingen, bis zu bürgerlichen Liberalen und Intellektuellen. Für Länder mit ausgeprägter politischer Polarisierung wie Frankreich bedeutete der Spanische Bürgerkrieg eine Gefahr von großer Sprengkraft, sodass die französische Regierung die Grenze nach Spanien schloss und damit das republikanische Spanien von der Landzufuhr abschnitt.Die Rolle der Sowjetunion und der USADie Auseinandersetzung in Spanien ging offensichtlich über einen Bürgerkrieg weit hinaus. Sie spiegelte die ideologische Frontenbildung zwischen links und rechts ebenso wider wie die Zersplitterung der Linken. Der Spanische Bürgerkrieg demonstrierte die doppelte Frontstellung der Sowjetunion: Sie befand sich in einer direkten Konfrontation mit Deutschland und Italien. Aber auch ihre Beziehungen zu den westeuropäischen Großmächten waren belastet, weil sie deren Politik der Nichtintervention nicht mittrug. Darüber hinaus wird deutlich, wo die Weltmacht USA stand, die im weiteren Verlauf der internationalen Entwicklung aufgrund ihrer Finanz- und Wirtschaftskraft, aber auch ihres militärischen Potenzials von ausschlaggebender Bedeutung werden sollte. 1937 verschärften die USA noch einmal die seit 1935 verfolgte Neutralitätsgesetzgebung; der isolationistisch gestimmte Kongress untersagte die Ausfuhr von Waffen und kriegswichtigen Gütern auch in Bürgerkriegsgebiete, ohne zwischen Angreifern und Angegriffenen zu unterscheiden. Der amerikanische Präsident hatte angesichts dieser Gesetzgebungslage nur die Möglichkeit, gemäß der auf zwei Jahre befristeten, also im Krisensommer 1939 auslaufenden Cash-and-carry-Klausel zu handeln. Danach konnten auch Krieg führende Staaten Käufe in den USA tätigen, wenn sie bar (cash) zahlten und die Waren auf eigenen Schiffen transportierten (carry).Prof. Dr. Gottfried NiedhartWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Hitler-Stalin-Pakt: Weg zum Zweiten WeltkriegGrundlegende Informationen finden Sie unter:Achse Berlin-Rom: Partnerschaft von Hitler und MussoliniItalien: Entstehung des Faschismus
Universal-Lexikon. 2012.